Fest Mariä Heimsuchung
Pferdewallfahrt
Autor Peter Anhalt
Bereits über 350 Jahre lang führen Bauern ihre Pferde um die Etzelsbachkapelle. Sie erbitten die Fürsprache der Gottesmutter und Gottes Segen für ihre Tiere. Der Ursprung dieses Brauches liegt im Dunkeln, seit dem 17. Jahrhundert ist er nachweisbar. Nach der Reformationszeit sahen die Jesuiten in der Wiederbelebung von Prozessionen und Wallfahrten ein wichtiges Instrument katholischer Propaganda. Die Mitglieder der Gesellschaft Jesu waren große Verehrer von Marienwallfahrtsorten. Ignatius von Loyola (1491-1556) stellte den von ihm gegründeten Orden unter den besonderen Schutz der Gottesmutter. In Heiligenstadt kam hinzu, dass die den Jesuiten zur Verfügung gestellte Kirche eine Marienkirche war und Marienfeste dort entsprechend festlich gestaltet wurden.
Bereits drei Jahre nach ihrer Niederlassung in Heiligenstadt gründeten sie 1578 für ihre Schüler eine Marianische Kongregation. 1585 brachten die Jesuiten in St. Marien zu Heiligenstadt am rechten Seitenaltar ein vergoldetes Marienbild an. Es ist bekannt, dass die Ordensmänner zusammen mit ihren Zöglingen gern in der Nähe liegende Marienwallfahrtsorte aufsuchten. 1597 belebten sie die Wallfahrt zum Klüschen Hagis. Der Burgvogt von Gleichenstein rief sie zur „Predigt und Beichte“ hierher. Dem Ruf eines angesehenen Mannes konnten sie sich nicht verschließen. Das kleine Heiligtum lag nicht zu weit von Heiligenstadt entfernt, und so betrieben sie dort seit dieser Zeit Wallfahrtsseelsorge.
Dem Marienwallfahrtsort Etzelsbach, nur zehn Kilometer von Heiligenstadt entfernt und einst zum Zisterzienserinnenkloster Beuren gehörig, schenkten sie zunächst keine Aufmerksamkeit. Als 1623 bei einem ungenannten Heiligenstädter Ratsherrn eine Pferdeseuche ausbrach, die schnell drei Pferde dahinraffte, bat dieser die Jesuiten um Hilfe. Sie rieten ihm zur Rettung seines letzten Pferdes, „ein geweihtes Agnus Dei in die Schwelle der unteren Tür einzufügen“. Der Ratsherr befolgte diesen Rat, und „bald war alle Gewalt der Seuche gebrochen und das Pferd wurde wieder gesund“. Wenn es zu dieser Zeit schon Tradition gewesen wäre, Pferde unter den Segen der Muttergottes von Etzelsbach zu stellen, hätten die Jesuiten den Heiligenstädter Ratsherrn bestimmt zur Wallfahrt dorthin geschickt.
Zur gleichen Zeit war ein an der Mainzer Universität ausgebildeter, den Jesuiten nahe stehender Dechant in Beuren und Wingerode tätig. Er kam aus Heiligenstadt und hieß Johannes Simerodt (gestorben 1651). Als in Wingerode eine Pferdekrankheit auftrat, reagierte Simerodt anders als die Jesuiten in Heiligenstadt, aber dennoch ganz in ihrem Sinne. Er empfahl den Bauern zusammen mit ihren kranken Pferden zu Fuß eine Wallfahrt nach Etzelsbach zu unternehmen und berief sich dabei auf einen alten Brauch. Da Simerodt mindestens seit dem Jahr 1614 in Beuren und Wingerode lebte, dürfte er hier von älteren Leuten oder aus Akten des Klosters von früheren Wallfahrten erfahren haben. Der Zeitraum für die Wiederbelebung des Brauches Pferde nach Etzelsbach zu bringen, lässt sich einschränken.
In einem Dokument aus der Zeit vor 1709 wird erwähnt, dass Abt Philipp Busse aus dem Kloster Reifenstein bei den Wallfahrten in Etzelsbach zugegen war. Busse ist 1639 gestorben. Vieles spricht dafür, dass die Wallfahrt mit Pferden bald nach 1623 neu belebt wurde. 1622 lagerten Soldaten Christians von Braunschweig in Beuren. 1625/26 wütete die Pest. In dieser unruhigen Zeit können auch Tierseuchen hinzugekommen sein. Die Not machte die Menschen sensibel. Trost suchend begaben sie sich zur Wallfahrt nach Etzelsbach, wo eine Darstellung der leiderfüllten Gottesmutter verehrt wurde. Der Ruf der Gnadenstätte verbreitete sich in der Umgebung. Die Wallfahrten sind bis zum heutigen Tag nie wieder unterbrochen worden.
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